Noch keine Kommentare

Kein Herz aus Stahl – Interview mit Martin Schmiedel

Im Februar veröffentlicht Martin Schmiedel sein zweites Buch »Kein Herz aus Stahl. Außenseiter, Bodyguard, Herzenskämpfer«, ein Co-Writing gemeinsam mit Michael Stahl, um dessen Lebensgeschichte es geht. Martin, wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Der BRUNNEN Verlag hat bei mir angerufen. Sie wollten wissen, ob ich mir vorstellen könnte, nach »Sabine Ball – Begegnungen und Erinnerungen« ein weiteres Buch mit ihnen zu machen. Da ich Michael Stahl zu diesem Zeitpunkt nicht kannte, bin ich in kognito nach Annaberg-Buchholz gefahren und habe ihn bei einem Elternabend belauscht. Das war der erste Elternabend meines Lebens.
Später sind wir uns in Nürnberg begegnet und haben auch miteinander gesprochen. Michael hatte gleich ein Ja zu mir. Ich habe noch etwas gezögert, weil ich gehörigen Respekt vor dem Arbeitsaufwand hatte. Schließlich habe ich zugesagt, was man daran sehen kann, dass das Buch jetzt erscheint.

Da fragt man sich natürlich, was den Ausschlag gegeben hat, denn du hast ja auch noch einen anderen Job, das Schreiben ist nicht dein Beruf …

Ich habe mit einigen Leuten darüber gesprochen. Von unterschiedlichen Seiten kam das Argument, dass dieses Buch mir Erfahrungen schenken kann, die ich im normalen Arbeitsalltag nicht habe. Mit dem Schreiben dieses Buches könnte sich für mich die Tür zu einem unbekannten, spannenden Raum öffnen. Diese Aussicht hat mich bewogen, das Wagnis einzugehen.

Du hast schon erwähnt, dass du bereits mit BRUNNEN zusammen gearbeitet hast, bei dem Buch über Sabine Ball, der Gründerin des Stoffwechsel e.V. in Dresden. Kannst du beide Buchprojekte miteinander vergleichen?

Obwohl Sabine Ball und Michael Stahl charakterlich sehr unterschiedlich sind, ist das, was sie eint, größer. An beiden beeindruckt mich ihre tiefe Liebe zu Jesus, die sie unglaublich authentisch leben. Der christliche Glaube ist für sie kein Kopfwissen und kein in einem Aktenordner abgeheftetes Blatt Papier, er durchdringt ihr gesamtes Leben.
Darüber hinaus war das erste Buch eine Sammlung kurzer Episoden, also vom Schreiben her eher etwas kurzgeschichtenhaftes und jetzt ist es eine Biografie, also eher etwas romanhaftes.

Wie muss man sich das vorstellen, ihr habt euch getroffen und du hast dann gesagt „Okay, Michael, erzähl mir mal von deinem 0.-14. Lebensjahr und dann mach ich daraus den ersten Teil“ usw. oder hast du dir erstmal alles angehört?

Ich habe Michael für drei Tage besucht. Wir saßen an seinem Wohnzimmertisch und ich habe versucht, zentrale Themengebiete einzukreisen. Wir sind aber auch an biografisch wichtige Orte gefahren. Ich glaube, das war auch für ihn sehr eindrücklich. Wir waren zum Beispiel auf dem Bahndamm, wo er als Junge überlegt hat, sich umzubringen. Nach meinem Besuch haben wir noch häufig telefoniert, wenn ich am Detail gemerkt habe, mir fehlt noch was…

Das Buch gibt intime Einblicke in das Leben von Michael Stahl. Welche Szene hat dich inhaltlich am meisten beeindruckt?

Es gab viele Hinweise darauf, mit welcher Missachtung und Demütigung Michaels Vater ihm begegnet ist. Das blitzte immer wieder durch und ich musste auswählen, welche Szenen ich davon mit ins Buch nehme. Das sind oftmals ganz kleine Dinge gewesen. Zum Beispiel hat Michael sich als Kind den Arm gebrochen. Als er dann mit dem Gips vor seinem Vater steht, sagt der nur: „Hättest du halt aufgepasst.“ Das hat mich, der ich sowas überhaupt nicht erlebt habe, zutiefst getroffen.
Und das Ganze kulminiert in einer für mich extrem starken Szene, die den Prolog zum Buch bildet: Als Michael seinen achten Geburtstag hat und aufgeregt ist, was dieser Tag für ihn bringen wird. Er ist schon eine Weile auf den Beinen, als sein Vater endlich aufsteht. Als er ins Zimmer kommt, stehen die Zwei sich gegenüber und gucken sich schweigend an. Und dann platzt es aus dem kleinen Michael heraus, was er denn geschenkt bekommen würde. In dem Moment – ich weiß nicht, was den Vater da bewegt hat – aber er spuckt ihn an.

Jetzt musstest du das ja alles umsetzen und zu Papier bringen, welche Szene hat dich beim Schreiben am stärksten herausgefordert?

Den größten Arbeitsaufwand hatte ich mit einer Szene, in der Michael als Securitymann auf einem Konzert arbeitet. Ich wollte die Atmosphäre möglichst authentisch einfangen, also habe ich ausführlich zum Sänger Falco recherchiert. Ich habe mir Videos angeschaut, um zu sehen, wie die Stimmung war. Ich habe Liedtexte studiert usw. Als ich Michael die Passage vorlegte, meinte er, dass er nie als Bodyguard auf einem Falco-Konzert gearbeitet hat. Ich hatte da etwas falsch verstanden. Also durfte ich von vorn anfangen. In der zweiten Version steht jetzt korrekt Nena auf der Bühne…

Über Michael Stahl gibt es diverse Youtubevideos, er ist in Fernsehsendungen aufgetreten, spricht regelmäßig u.a. in Schulen, es ist gerade eine Dokumentation erschienen, die sich v.a. mit seiner Arbeit zu Gewaltprävention und Selbstverteidigung beschäftigt – man merkt, der Mann ist in einer Mission unterwegs. Ohne jetzt schon alles zu verraten, wie würdest du in 1-2 Sätzen seine Message zusammenfassen?

Der Satz „Wer morgen Frieden machen will, lebt heute im Krieg“, kommt mir zuerst in den Sinn. Versöhnung ist Michaels Kernanliegen. In dem Satz steckt aber auch der Aspekt „Tu es heute!“. Da schwingt das kämpferisch-freche mit, was Michael ausmacht. Das mag ich total an ihm.

Nochmal zum Titel „Kein Herz aus Stahl“ – wer hat sich den ausgedacht?

Auf den Titel hat man als Autor relativ wenig Einfluss oder sagen wir mal so, der Verlag hat dabei das letzte Wort.

Michael Stahl hat selbst schon Bücher geschrieben und auch auf diversen anderen Medien kann man ihm begegnen – warum soll man jetzt das neue Buch vom BRUNNEN Verlag lesen?

In meinen Schaffenskrisen habe ich mir die Frage auch gestellt (lachen). Aber die Antwort ist: In diesem Buch gibt es eine Gesamtschau, die man sonst nirgends findet. Und man kann Details entdecken, zu denen ich Micha gelöchert habe. Ich wollte meine Wissenslücken nicht einfach mit eigenen Vorstellungen füllen.
Das war ein Punkt, der mich beim Schreiben oftmals gehemmt hat. Ich konnte meiner Fantasie nie freien Lauf lassen, sondern war immer an die Wirklichkeit rückgebunden, das hat mich streckenweise ganz fuchsig gemacht.

Ist denn demnächst mit einem Buch zu rechnen, wo du deiner Fantasie freien Lauf lässt? Oder gibt es ein neues Co-Writing-Projekt?

Nach dem Sabine-Ball-Buch habe ich gesagt, ich mache nie wieder ein Co-Writing. Ich schreibe nur noch Texte, bei denen ich meiner Fantasie freien Lauf lassen kann. Jetzt erscheint „Kein Herz aus Stahl“. Ich wage da lieber keine Prognose.

Dann meine letzte Frage: Wie würde eine Autobiografie von Martin Schmiedel heißen?

Na, das legt doch der Verlag fest.

Die Fragen stellte Rahel Gauer

 

Impressionen von der Release-Party
Weitere Informationen zu »Kein Herz aus Stahl«